Ein leuchtender Adventskranz in der Tischmitte. Sechs verschlafene Kinder-Augen versuchen sich durch unregelmäßiges Blinzeln an das Küchenlicht zu gewöhnen. Der Duft von gerösteten Haferflocken füllt den Raum und alle warten mal wieder auf den letzten: unseren Bruder Matthias. Nach ein paar Rufen meiner Mutter die Treppe rauf hört man schließlich auch seine schleifenden Schritte auf der Treppe. Schließlich sitzen alle versammelt am Tisch. Meine fünf Brüder, meine kleine Schwester, meine Mama und auch mein Papa. 

Jeden Tag eine halbe Stunde eher geweckt werden, um mit einer kleinen Andacht gemeinsam in den Tag zu starten. Meine Freude über die Adventszeit hält sich in Grenzen. Nach ein paar Minuten hat sich meine Müdigkeit gelegt, auch wenn mein Kopf noch immer auf der Tischkante aufliegt. Meine Mama liest eine Geschichte vor. Irgendwas mit drei Bäumen auf einem Hügel. Sie alle haben einen Lebenswunsch. Der eine möchte irgendwann mal eine Schatzkiste sein, in der die wertvollsten Schätze ein Zuhause finden. Der Zweite möchte mit seinem Holz ein gewaltiges Schiff erschaffen, das im Dienste mächtiger Könige steht. Der Dritte träumt davon für immer an seiner Stelle bleiben zu können. Er möchte wachsen und kräftig werden. Er möchte der größte Baum der Welt werden und die Menschen zum Stauen bewegen. Zum Staunen über den Schöpfer dieses Baumes, der so gewaltige Dinge erschafft wie ihn. 

Ich schlürfe an meinem Tee, der vor mir in einer überdimensional großen Tasse steht. Während meine Mama die Geschichte weiterliest, schweift mein Blick ab. Ich betrachte die Transparentpapier-Sterne, die am Küchenfenster kleben, die Sicht in den Garten ist durch die rabenschwarze Dunkelheit gehemmt, Teelichter brennen auf der Fensterbank. 

Ich spüre auf einmal die warme Hand von meiner Mama auf meinem Rücken. Ihre Finger streicheln mich, während sie weiterliest. Ich verliere mich weiter in irgendwelche Gedanken und höre der Geschichte aus dem Hintergrund meiner Gedanken zu. 

Geborgenheit. Wärme. Gemeinschaft. Ruhe. Die Adventszeit war, wenn ich an meine Kindheit denke, eine besonders emotional geprägte Zeit und wenn ich mich an sie zurückerinnere, werde ich von diesen Emotionen wieder eingeholt. Ich sitze wieder am Küchentisch und meine Mama erzählt. Ich verspüre Dankbarkeit und den Wunsch, als nun „Erwachsene“ diese, damals wohl mehr erzwungene, Achtsamkeit in meinen Alltag zurückzuholen. 

Nun weckt mich niemand eine halbe Stunde eher und brät für mich Haferflocken an, die, wenn ich die kalte Milch draufschütte, knistern. Niemand bereitet für mich einen Impuls vor, der mich durch den Tag begleitet. Aber ich darf es selbst. Und diesmal ganz bewusst und aus eigenem Antrieb. Ich entscheide mich für eine halbe Stunde mit Jesus und darf diese selbstbestimmt mit Inhalten füllen. Und vielleicht ist es auf einmal wie früher. Nur versinke ich diesmal in seinen Worten und spüre seine Wärme. Nicht nur auf meinem Rücken, sondern überall.